Medizin
Verein „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt“
Der Verein „Gemeinsam gegen den Herzinfarkt e.V" hat es sich zur Aufgabe gemacht, durch Aufklärung der Bevölkerung ein Beitrag zur Verbesserung der Versorgung der Menschen mit Herz-Kreislauferkrankungen zu leisten. Die Eva Mayr-Stihl Stiftung unterstützt eine projektbegleitende Studie. Mit ihrer Hilfe sollen Erkenntnisse gewonnen werden, wie die Bevölkerung noch besser aufgeklärt und zum tatkräftigen Einschreiten in Notfällen animiert werden kann. Wir sprachen mit den Initiatoren.
Seit wann besteht der Verein?
Dr. Thomas Eul: Im Jahr 2014 hatten wir ein erstes Gespräch hier im Kollegenkreis. Danach haben wir die Idee weiterentwickelt, einen Schirmherrn gesucht – mit Landrat Richard Sigel und dem Vizepräsidenten des Landtags Wilfried Klenk gleich zwei gewinnen können – und schließlich Ende 2016 den Verein gegründet. Mit der Arbeit begonnen haben wir im zweiten Quartal 2017.
Was war der Anlass zur Gründung?
Prof. Dr. Andreas Jeron: Bei einem Herzinfarkt ist eine schnelle Reaktion sehr wichtig. Die Abläufe in Kliniken sind optimiert, damit die Patienten schnell versorgt werden können. Aber was passiert vorher? Im Rems-Murr-Kreis dauert es im Durchschnitt vier Stunden, bis im Akutfall Kontakt zum Notarzt aufgenommen wird. Für uns ist es häufig extrem unbefriedigend, dass beim Patienten Schäden bleiben, die leicht hätten verhindert werden können.
Wie setzt sich der Verein zusammen?
Dr. Michael Sailer: Vereinsmitglieder können ausschließlich Kardiologen oder Notfallmediziner sein. Erfreulicherweise ist es uns gelungen, fast alle Kardiologen im Rems-Murr-Kreis von der Idee zu überzeugen.
Worum geht es Ihnen bei Ihrer Vereinsarbeit?
Eul: Wir verfolgen drei Ziele: 1. Wir wollen eine möglichst breite Gruppe der Bevölkerung in die Lage versetzen, die Anzeichen eines Herzinfarkts zu erkennen. Dadurch soll die Zeit bis zum Notruf und damit bis zur Versorgung verringert werden. 2. Wir wollen die Bereitschaft zur Herzdruckmassage in der Bevölkerung erhöhen. Dazu vermitteln wir Informationen und wollen zeigen, wie verhältnismäßig einfach jeder Einzelne helfen kann. 3. Wir erstellen und erweitern ein Verzeichnis von Defibrillatorenstandorten im Internet. Im Idealfall sollte auch ein Notfallhelfer in der Nähe zu finden sein, der die Bedienung beherrscht und von der Leitstelle bei einem Notruf direkt mit benachrichtigt wird.
Jeron: Man muss sich vor Augen führen, dass zu Beginn unserer Aktion im Rems-Murr-Kreis in nur rund 30 Prozent der Fälle eine so genannte Laienreanimation durchgeführt wurde. In Schweden zum Beispiel lernt man diese Reanimation in der Schule, dort ist die Bereitschaft in der Bevölkerung deutlich höher. Ein ganz konkretes Ziel unseres Vereins ist es, die Quote im Rems-Murr-Kreis von 30 auf 70 Prozent zu steigern.
Was konkret bieten Sie an, um diese Ziele zu erreichen?
Sailer: Um eine möglichst breite Bevölkerung zu erreichen, führen wir in Kooperation mit Gemeinden, Unternehmen oder Vereinen Veranstaltungen durch. Dazu kann sich jede interessierte Institution bei uns melden: Da wir unsere Zeit ehrenamtlich zur Verfügung stellen, kommen kaum Kosten auf den Veranstalter zu. Allerdings brauchen wir Platz sowohl für die Vorträge und Diskussionen als auch das anschließende Üben der Herzdruckmassage und Nutzung von Defibrillatoren an Puppen.



Bisherige Ergebnisse
Wie wird das Angebot angenommen?
Eul: Im Moment gibt es sehr viel Interesse und Unterstützung. Zum Beispiel hatten wir vor einer Weile eine große Veranstaltung in Urbach mit riesigem Zulauf. Um mehr Aufmerksamkeit zu generieren, hatten wir die Veranstaltung „Urbach schockt“ genannt – in Anspielung auf die Übung mit dem Defibrillator.
Jutta Franz: Wir haben den Plan, rund 40 Veranstaltungen pro Jahr in den drei Jahren durchzuführen. Denn wir wollen möglichst viele Menschen im Rems-Murr-Kreis erreichen.
Wie laufen Ihre Veranstaltungen ab?
Jeron: Zuerst begrüßt der Veranstalter die Gäste und die teilnehmenden Ärzte. Anschließend hält einer von uns einen Vortrag zu den Merkmalen eines Herzinfarktes und wie man reagieren soll. Häufig gibt es ausgedehnte Fragerunden. Anschließend kommt der praktische Teil: Die Teilnehmer üben an den Puppen die Herzdruckmassage und den Einsatz des Defibrillators.
Wissenschaftliche Begleitung
Warum wird das Projekt zusätzlich wissenschaftlich begleitet?
Franz: Wir stecken sehr viel unserer Freizeit, viele Ideen und Engagement in dieses Projekt. Wir haben die Laufzeit auf drei Jahre begrenzt und werden es Anfang 2020 beenden. Natürlich ist es uns wichtig, den Nutzen unserer Arbeit möglichst genau nachvollziehen zu können. Deshalb haben wir begleitend eine Studie in Auftrag gegeben. Die Daten stammen von der Stabstelle QS im Rettungswesen. Wir vergleichen den Rems-Murr-Kreis mit den Zahlen
des gesamten Landes Baden-Württemberg. Noch ist die Studie nicht abgeschlossen, aber die ersten Zwischenergebnisse sehen sehr vielversprechend aus.
Jeron: So eine Studie muss natürlich gewisse Kriterien erfüllen, um in der Fachwelt veröffentlicht und ernst genommen zu werden. Zum Beispiel muss man einen umfassenden Prüfplan ausarbeiten. Für diese Vorarbeiten braucht man so genannte „Study Nurses“, also fachlich geschulte Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter, die über eine medizinische Grundausbildung verfügen. Außerdem werden wir zwei Doktoranden mit der Umsetzung der Studie beauftragen. In diesem Umfang ist unsere Studie weltweit einzigartig.

wiederzubeleben, der hinterher hier allein wieder rausspaziert – dafür arbeite ich!“
Kardioverein Rems-Murr-Kreis“


